Innovationsvorhaben
Technische Möglichkeiten automatisierter Rechtsprechung
Prof. Dr. Meyer wird im Rahmen seiner Innovationsprofessur die neuen technischen Möglichkeiten der automatisierten Rechtsprechung („Robo-Judge“) erforschen. Hierzu baut er ab 2022 ein internationales Kompetenzzentrum an der Frankfurt UAS auf. Sein Ziel ist es, neue Potentiale disruptiver Technologien kontrovers zu beleuchten. Dabei sind die folgenden Bereiche von besonderem Interesse:
- Predictive Justive Tools: Selbstlernende Programme, welche auf Basis von großen Datensätzen Prognosen für Gerichtsentscheidungen treffen
- Smart Courts: Digitale Verfahrensführung, bei der einige typische Stadien des Prozesses nicht mehr in Präsenz vor Richter*innen durchgeführt werden müssen
- Smart Contract Arbitration: Automatisierung von Verträgen in einer Blockchain sowie Integration entsprechender Streitentscheidungsverfahren
Im Gespräch mit Prof. Dr. Olaf Meyer
Herr Meyer, Sie haben zwei Schachfiguren mitgebracht, die Ihr Innovationsprojekt symbolisieren. Warum?
Als Kind habe ich viel Schach gespielt. Damals kamen die ersten hausfähigen Schachcomputer auf. Ich kann mich erinnern, dass die ersten Computer so schlecht waren, dass ich als Zehnjähriger gegen sie gewinnen konnte. Über die Jahre hinweg wurden die Computer immer besser und für mich unschlagbar. Dann kam der Moment, als der Schachweltmeister Garri Kasparow in den späten 90er Jahren das erste Mal einen Wettkampf gegen einen Schachcomputer verlor. Und heute – 40 Jahre später – gibt es keine ernsthaften Wettkämpfe mehr zwischen Mensch & Maschine. Ausgehend von dieser technischen Entwicklung ist meine Überlegung und die vieler Kolleg*innen: Kann man einen Rechtscomputer schaffen, der rechtliche Entscheidungen fällt, die bislang bei Richter*innen liegen?
Mein Projekt ist ein Blick in die Zukunft, auf die dritte Generation von Rechtsprogrammen: Legal Tech 3.0. Das ist die Generation, von der wir gerade träumen und die wir uns vorzustellen versuchen. Ich befasse mich konkret mit der Frage, ob eine juristische Entscheidung so auf eine Maschine übertragen werden kann, dass sie genauso gerecht, nachvollziehbar und ausgewogen oder sogar besser als von einem Menschen gefällt wird.
Welchen Beitrag kann dieses Vorhaben leisten für unsere Gesellschaft?
Der wichtigste Mehrwert des Projekts ist Access to Justice – Zugang zu Gerechtigkeit. Der Einsatz von Rechtscomputern ermöglicht Menschen rechtliche Entscheidungen, die ihnen bisher aus Zeit-, Kosten- oder sonstigen Gründen verwehrt bleiben. Der zweite Mehrwert ist, dass Entscheidungen objektiver gefällt werden. Im Moment kommt es mitunter darauf an, welche Richter*innen für ein Verfahren zuständig sind. Im Arbeitsrecht kann die Frage, ob dessen politische Ausrichtung arbeitnehmer- oder arbeitgeberfreundlich ist, entscheidend sein. Ein Computer hingegen ist neutral, er setzt um, was man ihm eingibt. Natürlich ist die Programmierung auch abhängig von den Einstellungen der Programmierer/-innen. Aber es wäre ein Schritt hin zu einer größeren Objektivierung.
Hat das Projekt für Sie eine persönliche Bedeutung?
Dieses Forschungsprojekt gibt mir die Möglichkeit, an einer Front zu arbeiten, an der momentan viel in Bewegung ist. Mein Ziel ist es, in den kommenden Semestern einen Schwerpunkt aufzubauen, eine Tagung oder Ringvorlesung zu veranstalten oder ein Drittmittelprojekt zu beantragen. Im Moment ist bei diesem Thema vieles möglich.
Vielen Dank für das Gespräch!