Innovationsvorhaben
Nachhaltige Betone für Leichtbaukonstruktionen
Prof. Dr.-Ing. Rucker-Gramm führt während ihrer Innovationsprofessur Forschungs- und Lehrprojekte durch, die nachhaltige Leichtbaukonstruktionen fokussieren. Im Mittelpunkt ihres Vorhabens stehen zukunftsfähige Materialrezepturen und nachhaltige additive Fertigungsverfahren, wie z.B. der 3D-Druck. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag, um den unverzichtbaren Baustoff Beton CO2-freundlicher und ressourcenschonender herstellen und einsetzen zu können.
Ihr Vorhaben setzt Prof. Dr.-Ing. Rucker-Gramm im hochschuleigenen Labor für Baustoffe, Bauphysik und Bauwerkserhaltung um. Sie stärkt damit das ReSULT-Research Lab for Sustainable Lightweight Building Technologies mit dem Schwerpunkt Nachhaltiger Leichtbau, trägt zur Nachhaltigkeitsstrategie der Frankfurt UAS bei und fördert den Aufbau des Promotionszentrums Digital integrierte Ingenieurwissenschaften.
Im Gespräch mit Prof. Dr.-Ing. Petra Rucker-Gramm
Frau Rucker-Gramm, was machen Sie in Ihrer Innovationsprofessur?
Wir bauen sehr viel mit Beton: Brücken, Kanäle, Hochhäuser und vieles mehr. Diese, unsere Umwelt prägenden Infrastrukturbauwerke, würde es ohne Beton in dieser Form nicht geben, zumindest würde sie anders aussehen. Wir setzen Beton so häufig ein, weil er sehr hohe Festigkeiten aufweisen kann, sehr dauerhaft ist, eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Feuchte, Frost und Schadstoffe hat und man ihn in alle möglichen Formen bringen kann. Das sind Riesenvorteile. Das Problem ist jedoch, dass Beton Zement enthält. Bei der Zementherstellung wird sehr viel CO2 unter anderem als Resultat einer unvermeidbaren chemischen Reaktion ausgestoßen. Sieben Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes sind heute auf die Zemente zurückzuführen. Das müssen wir reduzieren.
Grundsätzlich gibt es zwei Wege, das Problem zu lösen. Zum einen können wir einen Teil des Zements durch andere Materialien ersetzen, die das gleiche Reaktionsprodukt ergeben. Eine sinnvolle und nachhaltige Möglichkeit bieten kalzinierte Tone, deren Rohstoffbasis es in größeren Mengen gibt. Zudem müssen Sekundärrohstoffe weiter im Fokus bleiben: Abfälle aus anderen Industriezweigen, so wie es die Flugasche bis zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung sein wird.
Der zweite Weg ist, den Beton gezielt nur dort einzusetzen, wo seine Leistungsfähigkeit wirklich erforderlich ist. Derzeit setzt man Beton meist großflächig ein, um Herstell- und damit Lohnkosten zu sparen. Die Herstellung lastflussgerechter Geometrien rechnet sich bei traditioneller Betonherstellung aufgrund lohnintensiver Vorarbeiten nicht. Der 3D-Druck bietet das Potential, Beton gezielt an die richtige Stelle zu bringen – ohne diese lohnintensiven Vorarbeiten. Durch hohe Festigkeiten und ein dichtes Gefüge können dabei geringe Bauteildicken realisiert werden.
Es geht also darum, ein neues Verfahren und die dafür nötigen Materialeigenschaften zu erforschen?
Ja. Bei der herkömmlichen Verarbeitung muss der Beton vergleichsweise wenig können. Er muss eine passende Konsistenz haben, damit er fehlstellenfrei an jede Stelle der vorgefertigten Betonschalung eingebracht und dort erhärten kann. Beim Drucken ist es ein bisschen anders: Der Beton muss erstmal so fließfähig sein, dass man ihn durch die Druckschnecke pumpen kann. Doch wenn er aus der Düse austritt, muss er unmittelbar eigenständig seine Form behalten und darf nicht davon fließen. Das ist eine komplett neue Anforderungskombination. Dafür müssen wir die Betone entwickeln. Das ist eine große Herausforderung.
Der 3D-Druck ist derzeit ein ganz großer Hype und an verschiedensten Hochschulen Gegenstand der Forschung. Daher müssen wir uns eine Nische suchen. Im ReSULT-Team überlegen wir, in welche Richtung wir gehen. Der Betondruck wird sicherlich im textilen Leichtbau zum Einsatz kommen. Der Beitrag, den die Innovationsprofessur leistet, ist die Entwicklung einer passenden ressourcenoptimierten Rezeptur.
Sie haben als Ort, um von Ihrem Projekt zu erzählen, dieses Betonlabor gewählt. Warum?
Wir haben hier an der Hochschule ein wunderbares Labor mit sehr vielen Möglichkeiten. Ohne diese ganze Ausstattung - Hochleistungsmischer, 3D-Drucker, Frisch- und Festbetonuntersuchungsmethoden - wäre meine Forschung nicht möglich.
Was wünschen Sie sich, wenn Sie eine gute Rezeptur finden? Wie soll es dann weitergehen?
Ich wünsche mir, dass wir dazu beitragen, den zementinduzierten CO2-Ausstoß deutlich zu reduzieren und ressourceneffizient zu planen und zu bauen. Die am Bauen beteiligten Disziplinen können dabei gemeinsam einen entscheidenden Beitrag leisten. Die Möglichkeit zu haben, in einem Bereich zu arbeiten, wo man so viel erreichen kann, finde ich großartig. Es lohnt sich richtig, hier zu forschen! Toll wäre es, wenn wir mit der Forschergruppe ReSULT konkret anwendbare Lösungen entwickeln, die den 3D-Druck mit dem textilen Leichtbau verknüpfen.
Welche persönliche Relevanz hat das Projekt für Sie?
Mit meiner Forschung kann ich einen Beitrag zur Klimaneutralität und zum effizienteren Einsatz natürlicher Ressourcen leisten. Als Mutter von vier Kindern, die auch zukünftig noch in einer intakten Umwelt leben sollen, sind mir diese Themen sehr wichtig.
Vielen Dank für das Gespräch!
Prof. Dr.-Ing. Petra Rucker-Gramm bei Hessen schafft Wissen