Menü

Sollstreckenbestimmung auf Kalibrierbasen und Vergleichspunktfeldern

Praktische Relevanz von Kalibrierbasen und Vergleichspunktfeldern

Das Hessische Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation (HLBG) ist bestrebt, die Qualität und die Quantität der Kalibrierbasen im Land Hessen zu erhöhen. Erste Schritte sind u.a. die Reaktivierung der Frankfurter Kalibrierbasis in Neu-Isenburg, sowie das neugeschaffene Vergleichspunktfeld in Fulda. Mit der flächendeckenden Bereitstellung von Prüfeinrichtung durch das HLBG sind Ingenieurbüros, öffentlich bestellte Vermessungsingenieure und Vermessungsbehörden angehalten, die eingesetzten Instrumentarien in regelmäßigen Zyklen zu prüfen. Diese Überprüfung ist bei hoheitlichen Aufgaben durch die Vermessungsverwaltungen verbindlich vorgeschrieben und häufig auch bei Ingenieuraufgaben vertraglich mit dem Auftraggeber vereinbart. Die Ausführung von hoheitlichen Aufgaben und das Messen in den Festpunktfeldern des geodätischen Raumbezugs sind in fast allen Bundesländern öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren nur mit nachweislich geprüften Tachymetern gestattet.

Einsatz eines mobilen Lasertrackers AT401

Prüfungen von Messinstrumenten aller Art erfordern immer eine mit übergeordneter Genauigkeit geschaffene Referenz. Moderne Präzisionstachymeter erreichen eine Streckenmessgenauigkeit im Submillimeterbereich. Dennoch können diese Instrumente nur bedingt zur Bestimmung von Sollstrecken auf Kalibrierbasen eingesetzt werden, da sie für Instrumente derselben Genauigkeitsklasse keine übergeordnete Referenz darstellen. Im Gegensatz zu Tachymetern besitzen Lasertracker einen hochpräzisen Distanzmesser und erreichen Punktgenauigkeiten von bis zu 20 µm, sodass dieses polare Messsystem die Anforderung an eine übergeordnete Referenz erfüllt. Der begrenzende Faktor bei der elektro-optischen Distanzmessung ist die Erfassung der repräsentativen meteorologischen Parameter.

Das Labor für Industrielle Messtechnik besitzt mobile Lasertracker wie bspw. den AT401 (Leica/Hexagon) oder den Omnitrac 2 (API). Gegenüber konventionellen Lasertrackern, die vorrangig in Industrieanalgen eingesetzt werden und eine begrenzte Reichweite aufweisen, zeichnen sich diese beiden Modelle durch Robustheit (IP54-Spezifikation) und einen hohen Mobilitätsgrad aus. Dies erlaubt ein flexibles Arbeiten im Bereich der Lage Volume Metrology und macht diese Instrumente nahezu konkurrenzlos.

Ergebnisse und Zielsetzung

In enger Kooperation mit dem Hessischen Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation (HLBG) werden die Kalibrierbasen und Vergleichspunktfelder des Landes Hessen erfasst. Erstmals konnte hierbei vom Labor für Industrielle Messtechnik gezeigt werden, dass mit einem mobilen Lasertracker wie den AT401 alle Teilstrecken eine Kalibrierstrecke vollständig und hochgenau bestimmbar sind. Diese Messungen dienen zum einen als Stabilitätsnachweis der teilweise neu angelegten Prüfeinrichtungen und zum anderen zur Ableitung von Referenzstrecken mit der notwendigen übergeordneten Genauigkeit. Aufgrund der guten Resultate wurde dieses Messkonzept inzwischen auch von anderen Institutionen übernommen. Zur Erfassung der repräsentativen Meteorologie entlang des Messwegs wird ein mobiles Multisensornetz installiert, sodass die Laufzeitverzögerung infolge von Temperatur- oder Druckänderungen korrigierbar ist. Gemäß der Empfehlung der International Association of Geodesy (IAG) erfolgt die Bestimmung und Berücksichtigung der sogenannten ersten Geschwindigkeitskorrektur.

EDMFit

Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgt mit dem selbst entwickelten Analyseprogramm EDMFit. Dieses OpenSource Programm korrigiert und reduziert die erhobenen Messelemente und leitet die Sollstrecken durch eine Ausgleichungsrechnung im Gauß-Markov-Modell ab. Zur Beschreibung der Messunsicherheiten wird anstelle der klassischen Varianzfortpflanzung das nummerische Verfahren der Monte-Carlo-Simulation unter Berücksichtigung repräsentativer Wahrscheinlichkeitsverteilungen eingesetzt.

Für die Überprüfung eines Tachymeters lassen sich die aus den Lasertracker-Messungen abgeleiteten Referenzstrecken zusammen mit der zugehörigen Varianz-Kovarianz-Matrix in einer kombinierten Ausgleichung in EDMFit auswerten. Hierdurch werden neben den Unsicherheiten des Prüflings auch die Unsicherheiten der Referenzwerte bei der Auswertung berücksichtigt. In Anlehnung an den Leitfaden zur Angabe von Unsicherheit beim Messen (GUM) fließen somit alle am Auswerteprozess beteiligten Unsicherheiten in die Analyse mit ein.

Publikationen

Eschelbach, C., Heckmann, B., Lösler, M.: Hochgenaue Sollstreckenbestimmung mit einem mobilen Lasertracker an der Kalibrierbasis Neu-Isenburg. avn - Zeitschrift für alle Bereiche der Geodäsie und Geoinformation, 122(3), S. 95-101, 2015.

Eschelbach, C.: Refraktionskorrekturbestimmung durch Modellierung des Impuls- und Wärmeflusses in der Rauhigkeitsschicht. Deutsche Geodätische Kommission (DGK), Reihe C, 638, München, 2009. ISBN: 978-3-7696-5047-1; Identisch mit: Schriftenreihe des Studiengangs Geodäsie und Geoinformatik, Universität Karlsruhe (TH), 1, 2009. DOI: 10.5445/KSP/1000009823

Eschelbach, C.: Störanfälligkeit geodätischer Präzisionsmessungen durch lokale Temperaturschwankungen. In: Brunner, F. K. (Hrsg.): Ingenieurvermessung 07: Beiträge zum 15. Internationalen Ingenieurvermessungskurs, Graz, 19.-20. April 2007, Wichmann, S. 169-180, 2007. ISBN: 978-3879074488

Ansprechpartner

Anschrift

Frankfurt University of Applied Sciences
Fachbereich 1

Labor für Industrielle Messtechnik

Nibelungenplatz 1
D-60318 Frankfurt am Main

https://fra-uas.de/metrology

Transferzentrum

Transferzentrum Angewandte Geodäsie im Steinbeis-Verbund
https://applied-geodesy.org

GKGM - Mitglied

Mitglied in der Gesellschaft zur Kalibrierung geodätischer Messmittel e.V. (GKGM)

Projektpartner

  • Hessisches Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation
Michael LöslerID: 5463