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Einmessung des Darmstädter Elektronenlinearbeschleuniger S-DALINAC

Darmstädter Elektronenbeschleuniger

Der Supraleitende Darmstädter Elektronenlinearbeschleunigers (S-DALINAC) ist seit 2016 ein dreifach rezirkulierender Elektronenlinearbeschleuniger, der vom Institut für Kernphysik der Technischen Universität Darmstadt betrieben wird. Ursprünglich wurde der Teilchenbeschleuniger als zweifach rezirkulierender Elektronenlinearbeschleuniger entworfen, welcher den Elektronenstrahl bei Nutzung der beiden Rezirkulationen auf bis zu 130 MeV beschleunigt.

Um den gegenwärtigen Strahlenverlauf geometrisch zu dokumentieren, zu optimieren und als Planungsgrundlage für zukünftige Erweiterungen zu nutzen, kooperiert die TU Darmstadt eng mit dem Labor für Industrielle Messtechnik. In gemeinsamen Messkampagnen wurden die Dipol- und Quadrupolmagneten entlang der Strahlführung sowie die Position des Strahlrohrs zwischen den Kryostatmodulen messtechnisch erfasst. Neben den geometrischen Positionen wurden auch die Ausrichtungen und Neigungen der einzelnen Strahlführungselemenente bestimmt. Diese Daten bildeten die Grundlage für die 2016 durchgeführte Erweiterung des Teilchenbeschleunigers um eine dritte Rezirkulation.

Aufgabenspektrum und Herausforderungen

Die geforderte räumliche Punktgenauigkeit lag bei maximal 0,5 mm, weshalb das Labor für Industrielle Messtechnik auf den mobilen Lasertracker AT401 von Leica zurückgriff. Der AT401 ist mit einer 3D-Punktunsicherheit von 15 µm + 6 µm/m spezifiziert. Neben der hohen Messgenauigkeit zeichnet sich dieser mobile Lasertracker durch eine vergleichsweise kompakte Bauweise aus, die ein flexibles Positionieren des Messinstrumentes im Objektraum ermöglicht.

Insgesamt wurden 66 Magneten (26 Dipole und 40 Quadrupole) entlang der Strahlführung sowie Teile des Strahlrohrs zwischen den Kryostatmodulen taktil erfasst. Von 31 Standpunkten wurden über 2100 Punktbeobachtungen zu 1500 Objektpunkten durchgeführt. Der Realisierung des datumsgebenden Referenzrahmens erfolgte durch 18 Drift-Nester. Die vollständige messtechnische Erfassung konnte innerhalb von zwei Wochen abgeschlossen werden. Bei der späteren Absteckung und Justierung der Strahlführungselemente kam neben dem AT401 auch der Lasertracker Omnitrac 2 (API) zum Einsatz.

In Kooperation mit dem Labor für Geoinformation erfolgte eine vollständige räumliche Aufnahme mit einem Laserscanner FARO Focus3D S 120. Die hierbei registrierte Punktwolke liefert wichtige Kenngrößen, um logistische Fragestellungen oder räumliche Restriktionen ohne Hallenzutritt auch während des Strahlbetriebs zu beantworten.

Analyse- und Auswertestrategien

Die Verknüpfung der Messungen von den einzelnen Standpunkten zu einem Gesamtnetz erfolgte durch eine Bündelausgleichung auf der Basis kartesischer Koordinatenbeobachtungen. Hierfür setzt das Labor für Industrielle Messtechnik ein selbstentwickeltes Ausgleichungsprogramm ein, welches in Anlehnung an den Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit beim Messen (engl. Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement; GUM) den gesamten Messprozess in ein umfassendes Stochastisches Modell im Auswerteprozess abbildet und Typ A und Typ B Unsicherheiten sowie verschiedene statistische Verteilungen berücksichtigt. Linearisierungsfehler in der Modellbildung werden wahlweise durch den Einsatz der Monte-Carlo Simulation oder der weniger rechenintensiven Unscented Transformation minimiert. Seit 2016 wird zusätzlich auch das selbstentwickelte Ausgleichungspaket Java·Applied·Geodesy·3D (JAG3D) zur Netzauswertung verwendet, welches eine sachgerechte Netzausgleichung auf der Basis der originären Beobachtungen erlaubt.

Schätzung eines Doppel-Zylinders

Die aus der Ausgleichung stammenden Koordinaten wurden zum Ableiten von Formparametern unter Berücksichtigung der vollbesetzten Dispersionsmatrix herangezogen. Bedingt durch das Aufnahmeverfahren des zylindrischen Strahlrohrs zwischen den Kryostatmodulen ergab sich als geometrische Figur ein Doppelzylinder, welcher mit Verfahren der Formanalyse zu bestimmen war. Die Ableitung der Ausrichtung und Neigung der Dipole und Quadrupole erfolgte über Regressionsebenen, wie sie auch bei der Einmessung von Fächerecholoten Anwendung finden. Insgesamt konnte mit einer räumlichen Punktunsicherheit von 0,2 mm (k=2) für die Objektpunkte die o.g. Anforderungen für Einzelpunktpositionen und abgeleitete Größen erfüllt werden.

Publikationen

Eschelbach, C., Lösler, M., Steinhilber, G., Birkhan, J., Arnold, M., Pietralla, N.: Indirekte Bestimmung des Pivot-Punktes eines Magnetspektrometers mittels mobiler Lasermesstechnik. In: Wieser, A. (Hrsg.): Ingenieurvermessung 23: Beiträge zum 20. Internationalen Ingenieurvermessungskurs, Zürich, 11.-14. April 2023, Wichmann, S. 418-431, 2023. ISBN: 978-3-87907-734-2

Arnold, M., Burandt, C., Grewe, R., Pforr, J., Pietralla, N., Steinhorst, M., Eschelbach, C., Lösler, M., Hug, F.: First ERL Operation of S-DALINAC and Commissioning of a Path Length Adjustment System. In: Koscielniak, S., Satogata, T., Schaa, V., Thomson, J. (Hrsg.): Proceedings of 9th International Particle Accelerator Conference (IPAC2018), 29. April - 04. Mai 2018, Vancouver, Kanada, S. 4859-4862, 2018. DOI: 10.18429/JACoW-IPAC2018-THPML087

Arnold, M., Burandt, C., Eschelbach, C., Kürzeder, T., Lösler, M., Pforr, J., Pietralla, N.: ERL Mode of S-DALINAC - Design and Status. In: Proceedings of ERL17 - The 59th ICFA Advanced Beam Dynamics Workshop on Energy Recovery Linacs, 18.-23. Juni 2017, CERN, Geneva, Schweiz, 2017. DOI: 10.18429/JACoW-ERL2017-MOIDCC006

Arnold, A., Burandt, C., Eschelbach, C., Lösler, M., Pforr, J., Pietralla, N.: The Thrice-Recirculating S-DALINAC with ERL-Mode. In: Aulenbacher, K., Khoukaz, A. (Hrsg.): 650. WE-Heraeus-Seminar, Physics of Energy-Recovering Linacs, 16.-18. Oktober 2017, Bad Honnef, Deutschland, 2017.

Eschelbach, C., Lösler, M., Winkemann, P., Arnold, M., Pietralla, N.: Einsatz mobiler Lasermesstechnik bei der Erfassung von Strahlführungselementen eines Elektronenlinearbeschleunigers. avn - Zeitschrift für alle Bereiche der Geodäsie und Geoinformation, 124(3), S. 61-69, 2017.

Eschelbach, C., Lösler, M., Winkemann, P., Arnold, M., Pietralla, N.: Einsatz mobiler Lasermesstechnik zur Aufnahme von Strahlführungselementen eines Elektronenlinearbeschleunigers. In: Luhmann, T., Schumacher, C. (Hrsg.): Photogrammetrie - Laserscanning - Optische 3D-Messtechnik: Beiträge der 15. Oldenburger 3D-Tage 2016, Wichmann, S. 307-318, 2016. ISBN: 978-3-87907-604-8

Lösler, M., Arnold, M., Bähr, H., Eschelbach, C., Bahlo, T., Grewe, R., Hug, F., Jürgensen, L., Winkemann, P., Pietralla, N.: Hochpräzise Erfassung von Strahlführungselementen des Elektronenlinearbeschleunigers S-DALINAC. Zeitschrift für Geodäsie, Geoinformatik und Landmanagement (ZfV), 140(6), S. 346-356, 2015. DOI: 10.12902/zfv-0090-2015

Lösler, M., Eschelbach, C.: Konzept zur Realisierung eines Prototypen zur sachgerechten Auswertung von polaren Beobachtungen. avn - Zeitschrift für alle Bereiche der Geodäsie und Geoinformation, 119(7), S. 249-258, 2012.

Ansprechpartner

Anschrift

Frankfurt University of Applied Sciences
Fachbereich 1

Labor für Industrielle Messtechnik

Nibelungenplatz 1
D-60318 Frankfurt am Main

https://fra-uas.de/metrology

Transferzentrum

Transferzentrum Angewandte Geodäsie im Steinbeis-Verbund
https://applied-geodesy.org

GKGM - Mitglied

Mitglied in der Gesellschaft zur Kalibrierung geodätischer Messmittel e.V. (GKGM)

Projektpartner

  • Institut für Kernphysik der TU Darmstadt
Michael LöslerID: 5462