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Online-Ringvorlesungsreihe: Digitalisierung und Gender

am Gender und Frauenforschungszentrum der hessischen Hochschulen (gFFZ)

Der schnelle technologische Wandel und vor allem das Thema einer fortschreitenden Digitalisierung beschäftigen Wissenschaft und Gesellschaft in hohem Maße. Sichtbar wird dabei, dass sich in diesem Wandlungsprozess neue Fragen stellen, die nicht nur technischer Natur sind, sondern deren Beantwortung einen gesamtgesellschaftlichen Blick erforderlich macht. Dabei geht es um Aspekte wie gesellschaftliche Akzeptanz, soziale Ungleichheiten, demokratische Partizipation, Technikfolgenabschätzung vor allem im Kontext des Klimawandels und im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit oder ethische Dimensionen der digitalisierten Welt. Mit dieser Ringvorlesungsreihe wollen wir einen Aspekt besonders herausstellen: Technik ist auch vergeschlechtlicht. Digitalisierung unter einer Geschlechterperspektive zu betrachten bedeutet, die Perspektive von technischen Entwicklungen bis hin zu gesellschaftlichen Verhältnissen und Veränderungen zu erweitern, die auch durch technischen Wandel produziert und reproduziert werden. Zugleich bietet sie die Möglichkeit, neue Chancen zu erkennen und sichtbar zu machen, um nicht nur den technologischen, sondern auch den sozial-ökologischen Wandel hin zu einem nachhaltigen Miteinander voranzubringen.

Nach den ersten beiden Ringvorlesungen in dieser Reihe machen wir im Sommersemester 2022 genderbezogene Diskriminierung im Internet zum Thema. Immer wieder begegnen uns Erfahrungsberichte von Betroffenen, die Opfer digitaler Anfeindungen und Gewalt durch ihre geschlechtliche Identität werden. Unsere drei Referent*innen werden diese Themen in ihren Vorträgen etwa am Beispiel von Hate Speech, Incel und anderen digitalen Bedrohungen im Kontext von Geschlecht aufgreifen. Den Abschluss der Reihe bildet diesmal eine Podiumsdiskussion mit Teilnehmer*innen aus der Praxis. Sie werden uns über ihre Erfahrungen im Umgang mit digitaler Gewalt erzählen und Einblicke in ihre Arbeit geben.

Die Kurzzusammenfassungen der Vorlesungen aus den vergangenen Ringvorlesungen finden Sie auf unserer Homepage.

Zum Programm

Die Vorträge finden jeweils von 16:00-18:00 Uhr digital statt (bitte beachten Sie die Abweichung am 20. Juli 2022!)

Anmeldung

Die Veranstaltung ist öffentlich. Bitte melden Sie sich verbindlich zu den jeweiligen Terminen bis spätestens drei Tage vor der jeweiligen Veranstaltung an. Die Zugangsdaten für den virtuellen Konferenzraum schicken wir den angemeldeten Personen kurz vor der Veranstaltung zu.

Informationen zu den Einzelveranstaltungen

Fachvortrag mit anschließender Diskussion

Kurzbeschreibung:

Der Vortrag widmet sich dem Thema Incel. Männer, so die Incel-Ideologie, hätten ein angeborenes Recht auf Sex, der ihnen jedoch von Frauen verweigert wird. Die oberflächliche Frau sei nicht in der Lage, den vermeintlich unattraktiven Incel zu begehren, da sie lediglich mit sogenannten „Chads“ schlafen würden, die ca. 20 Prozent der männlichen Bevölkerung ausmachen. So ist der Incel zur Sexlosigkeit und somit, so sein Glaube, zu einem unglücklichen und einsamen Leben verdammt.

Ventil für den eigenen Frust ist das Internet, wo sich Incels untereinander über die Verkommenheit von als „Femoids“ dehumanisierten Frauen austauschen, und gleichzeitig das Selbstbild als Opfer einer Gesellschaft inszenieren, in der unattraktive Männer vermeintlich systematische Diskriminierung erfahren. Ihr Selbst- und Weltbild ist von Misogynie und Selbsthass verzerrt. Diese permanente - vermeintliche - Kränkung der Sexlosigkeit und somit dem Scheitern an internalisierten Männlichkeitsidealen wird auf das gesellschaftlich designierte Feindbild Frau übertragen. Regelmäßig üben Incels als „Wiedergutmachung“ ihrer Kränkung misogyne Gewalt aus, die bis im Terror enden kann.

Referentin:

Veronika Kracher hat Soziologie und Literatur in Frankfurt und Mainz studiert und ist als freie Publizistin zu den Themenfeldern Antifeminismus, Rechtsextremismus, Online-Radikalisierung und (Pop)kultur tätig. Sie arbeitet im Recherche- und Monitoringprojekt der Amadeu Antonio-Stiftung mit dem Fokus auf der Rolle von Misogynie und Antifeminismus bei einer Radikalisierung durch das Internet."In ihrem auf dem Buch „Incels - Geschichte, Sprache und Ideologie eines Online-Kults“ basierenden Vortrag liefert die Journalistin und Autorin Veronika Kracher anhand der Thesen von Raewyn Connell, Kate Manne, Rolf Pohl und Klaus Theweleit einen umfassenden Überblick in die misogyne Incel-Subkultur.

Termin:
Mittwoch, 04.05.2022, 16:00-18:00 Uhr

Ort:
Online-Veranstaltung

Kosten:
Die Teilnahme ist kostenlos.

Fachvortrag mit anschließender Diskussion

Kurzbeschreibung:

Der Vortrag erklärt, wie sexistische Online-Hassrede definiert wird, welche wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden zum Einsatz kommen, und was die bislang vorliegenden empirischen Befunde im Forschungsfeld besagen. Es soll aufgezeigt und mit dem Publikum diskutiert werden, wo die Forschung aktuell steht und welche Forschungsaktivitäten in Zukunft besonders nützlich wären, um Ausmaß und Ursachen des Problems sexistischer Online-Hassrede besser zu verstehen sowie wirkungsvolle Gegenmaßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.

Referentin:

Prof. Dr. Nicola Döring (TU Ilmenau)

Prof. Dr. Nicola Döring leitet das Fachgebiet Medienpsychologie und Medienkonzeption an der TU Ilmenau. Zu ihren Arbeitsgebieten gehören Medien- und Technikpsychologie, Kommunikationswissenschaft, sozialwissenschaftliche Forschungsmethoden und Evaluation sowie Gender- und Sexualforschung. Sie ist Mitherausgeberin der Zeitschrift für Sexualforschung (Thieme) und Autorin zahlreicher Publikationen zu Fragen von Geschlecht und Geschlechtergerechtigkeit im Kontext der Online-Kommunikation.

Termin:
Montag, 20. Juni 2022, 16:00-18:00 Uhr

Ort:
Online-Veranstaltung

Kosten:
Die Teilnahme ist kostenlos.

Kurzvortrag: Bedrohung im Netz – Anerkennung digitaler Gewalt als Gewalt

Kurzbeschreibung Vortrag

Der Vortrag wird zunächst einen Überblick über Ausprägungen und Formen digitaler Gewalt geben und anhand derer die Relevanz einer genderspezifischen Analyse darlegen. Ein Einblick in Ausmaß und Prävalenzen wird die Notwendigkeit dieser Analyse unterstreichen. Schließlich wird die Frage diskutiert, inwiefern die Unterscheidung zwischen analoger und digitaler Gewalt im Kontext von Gewalt im sozialen Nahraum noch sinnvoll ist oder eher obsolet.

Referentin:

Prof. Dr. Nivedita Prasad (ASH Berlin)

Prof. Dr. Nivedita Prasad ist Professorin and der Alice Salomon Hochschule Berlin u.a. für Handlungsmethoden Sozialer Arbeit und genderspezifische Soziale Arbeit. 2021 hat sie mit dem bff (Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe) das Buch „Geschlechtsspezifische Gewalt in Zeiten der Digitalisierung. Formen und Interventionsstrategien“ herausgegeben, welches auch im Open Access zur Verfügung steht.


Podiumsdiskussion: Digitaler Gewalt begegnen – Erfahrungen aus der Praxis 

Die Anerkennung digitaler Gewalt als Gewalt passiert in erster Linie in der Praxis. Zahlreiche Akteur*innen, Vereine und Organisationen sind darum bemüht, digitaler Gewalt zu begegnen und vor allem den von ihr Betroffenen zur Seite zu stehen. Wir möchten mit Ihnen über ihre Erfahrungen sprechen, sie zu Wort kommen lassen und ihre Perspektive hören, die neben der wissenschaftlichen Forschung einen zentralen Stellenwert im Kontext digitaler Gewalt und deren Prävention einnimmt. Was können wir digitaler Gewalt in ihren unterschiedlichen Ausprägungen entgegensetzen? Was ist dafür erforderlich und was muss dafür in Zukunft verändert werden?

Es diskutieren:

Anna Wegscheider (Juristin bei HateAid gGmbH)

Nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien und der Tätigkeit als Rechtsberaterin und -vertreterin für Geflüchtete in Österreich, unterstützt Anna Wegscheider seit September 2020 HateAid als interne Juristin. Im Rahmen von Workshops und Schulungen erklärt sie unter anderem regelmäßig die gesellschaftliche Bedeutung rechtlicher Schritte gegen digitale Gewalt, welche Straftatbestände in diesem Themenkomplex besonders relevant sind und wie man gegen digitale Gewalt vorgehen kann."

Anna (Anna Nackt.de)

Anna ist Mitgründerin der gemeinnützigen Organisation Digital Dignity, sowie der Initiative Anna Nackt. Gemeinsam mit anderen Aktivist*innen, Anwält*innen und Wissenschaftler*innen kämpft sie im Rahmen dieser Arbeit für ein sichereres Internet für alle und insbesondere gegen bildbasierte sexualisierte Gewalt im Netz. Die von ihr ins Leben gerufene Petition #NotYourPorn hat mehr als 160.000 Unterschriften bekommen und wurde im EU Parlament in großen Teilen als Gesetzesvorschlag aufgenommen. Anna berät außerdem UN Organisationen und NGOs zu Datenmissbrauch im Netz.

Sabine Böhm (frauenBeratung Nürnberg für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen)

Sabine Böhm ist Soziologin, zertifizierte Traumafach- und Onlineberaterin und leitet seit 2007 die frauenBeratung nürnberg für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen. Seit 2019 baut sie dort die Beratung zu Digitaler Gewalt auf und aus. Sie ist Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der Frauennotrufe und Frauenberatungsstellen in Bayern (FiB) und ist Mitglied im Verbandsrat des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Bayern. 

Moderation: Dr. Carolin Wiedemann

Carolin Wiedemann hat in Hamburg und Paris Journalistik und Soziologie studiert und zu neuen Formen von Kollektivität und Subversion unter digitalen Bedingungen promoviert. Als freie Journalistin schreibt sie u.a. für die FAS, ak und Missy Magazine über Geschlechterverhältnisse, Rechtspopulismus und digitalen Kapitalismus. 2021 ist ihr Buch „Zart und frei. Vom Sturz des Patriarchats“ über gegenwärtigen Antifeminismus und die Überwindung patriarchaler Zustände erschienen. Carolin Wiedemann ist im Vorstand der internationalen Menschenrechtsorganisation Humanity in Action und Mitherausgeberin des wissenschaftlichen Journals zu digitalen Kulturen spheres.

Termin:
Mittwoch, 20.07.2022, Achtung: 16:00-18:30 Uhr

Ort:
Online-Veranstaltung

Kosten:
Die Teilnahme ist kostenlos.

Zentrale WebredaktionID: 9604
letzte Änderung: 28.03.2022