Europäische Werte - ein Dilemma!
Symposium des Center for Applied European Studies
Am 14. April 2018 führte das Center for Applied European Studies (CAES) in Kooperation mit dem Ethikverband der deutschen Wirtschaft e. V. ein Symposium zum Thema „Europäische Werte – ein Dilemma!“ durch.
Der Vizepräsident der Frankfurt UAS, Prof. Dr. Ulrich Schrader, begrüßte die Teilnehmer/-innen. Er erinnerte daran, dass die Frankfurt UAS, neben ihrem Bildungsauftrag, einen hohen Stellenwert im Vermitteln eines verantwortungsbewussten Handelns in der Gesellschaft sehe, denn die Zukunft Europas liege bei den jungen Menschen.
Das Symposium wurde von Prof. Dr. Dr. Michel Friedman, dem Geschäftsführenden Direktor des CAES, eröffnet. Er kam zunächst auf den Begriff des kulturellen Gedächtnisses in Europa zu sprechen. „Das kulturelle Gedächtnis auf dem Kontinent Europa ist ein blutiges Gedächtnis. Es ist ein Gedächtnis, in dem nicht Kooperation sondern Konfrontation das Mittel der Politik und der Macht darstellt. Es ist ein Gedächtnis, in dem Religionskriege über Jahrhunderte stattfanden.“ Es sei zu kritisieren, dass innerhalb einer EU, die Demokratie und Religionsfreiheit verspricht und Diskriminierung verbietet, von Regierungsspitzen geäußerte rassistische, religionsverhöhnende, antisemitische oder sexuell diskriminierende Formulierungen unbeantwortet gelassen werden.
Anschließend analysierte Dr. Irina Kummert, Präsidentin des Ethikverbands der deutschen Wirtschaft e. V. und Geschäftsführende Gesellschafterin der IKP Executive Search GmbH, den Zusammenhang zwischen ökonomischen Interessen und ethischen Werten Europas. Sie beobachtete eine stärkere Forderung nach Moral innerhalb der EU und fragte sich, ob es bei der Forderung der Einhaltung europäischer Werte um nationale und vielleicht sogar ökonomische Interessen geht?
Prof. Dr. Reinhard Merkel, Professor em. für Strafrecht und Rechtsphilosophie sowie Mitglied im Deutschen Ethikrat, referierte über die Probleme des deutschen Maßstabs für das Europäische Asylsystem. Merkel zeigte auf, dass Solidarität als Teil der Grundwerte der EU (Art. 2, EU-Vertrag) gelte, und thematisierte die Grenzen der Solidarität innerhalb der EU im Rahmen der Flüchtlingsdebatte. Er warf die umstrittene These auf, dass in Gesellschaften mit starker ethnischer und kultureller Diversität stärkere Segregationstendenzen aufkommen.
Prof. Dr. Rainer Forst, Professor für Politische Theorie und Philosophie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Co-Sprecher des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“, referierte über Toleranzverhältnisse innerhalb und zwischen Gesellschaften der EU. Forst zeigte die hierarchische Struktur des Toleranzprinzips auf. Leider sei Toleranz in der Realität häufig negativ konnotiert und stehe oft im Zusammenhang mit der Dominanz einer Mehrheit. Für Forst wird Toleranz nur durch Zusatzprinzipien wie Freiheit oder Gerechtigkeit zu etwas Wertvollem.
Prof. Dr. Nicole Deitelhoff, Professorin für Internationale Beziehungen und Theorien globaler Ordnungen an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), analysierte die geostrategische Bedeutung der EU für die globale Friedensbildung. Für Deitelhoff sollten im Zuge der Wiedergewinnung einer globalen Friedensordnung die Forderung von Menschenrechten und Demokratie zunächst ausgeklammert werden, um die Grundlage für niederschwellige Kooperationen zu suchen. Letztere könnten dann wiederum einen Wandel hinsichtlich der Menschenrechte und der Demokratie nach sich ziehen.
Prof. Dr. Klaus-Jürgen Grün, Apl. Professor für Philosophie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main sowie Vizepräsident des Ethikverbands der deutschen Wirtschaft e. V., sprach über die Unglaubwürdigkeiten in der Begründung und Verteidigung von Werten. Wir müssten laut Grün lernen in einer Denkform zu bestehen, in der bei der eigenen Interessensvertretung auch die Interessen der anderen Seite einen Gewinn erfahren können. Bezugnehmend auf die Krisen in der EU plädierte er dafür, Demokratie aufzuwerten, sodass die Interessen von vielen vertreten werden. Grün schlug vor, von einem Diskurs über Werte abzusehen, der scheinbar Gutes wolle, aber faktisch nur innenorientierte Interessen vertrete.
Zu Beginn der Podiumsdiskussion wurde die Rolle eines kulturellen Gedächtnisses angesprochen. Friedman erklärte, dass sich ein europäisches kulturelles Gedächtnis nur entwickeln könne, wenn Menschen davon überzeugt werden, dass sie mehr davon hätten, wenn sie nationale Interessen zurückstellen und kooperieren. Anschließend wurde thematisiert, ob womöglich versucht werden sollte eine Verpflichtung zur Einhaltung der EU-Charta durch Strafvollzug zu erreichen. Um gültige Normen einzuhalten, erschienen den Teilnehmern der Podiumsdiskussion ökonomische Sanktionen wirkungsvoller als moralische Argumentationen. Des Weiteren kam man darin überein, dass in Europa transparente politische Entscheidungsprozesse notwendig seien, um eine Frustration angesichts einer geringen Partizipation zu beseitigen. Forst ergänzte: „Wenn die Leute den Eindruck haben, ihnen werden Lasten aufgebürdet, die sie national zu tragen haben, und deshalb einen „Unfairness-Verdacht“ haben, werden wir nicht weiterkommen.“
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