Das Center for Applied European Studies (CAES) empfing am 15. Mai 2017 im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Think Europe – Europe thinks” Bundespräsident a. D. Christian Wulff. Wulff sprach zum Thema „Der Islam gehört inzwischen zu Deutschland und Europa“ mit anschließender Gegenrede von Prof. Dr. Ursula Fasselt, Professorin für Sozial- und Verwaltungsrecht, Europarecht und Menschenrechte an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS).
Die Vizepräsidentin der Frankfurt UAS Prof. Dr. Kira Kastell betonte die wichtige Rolle des Islam an einer Hochschule mit mehr als 14.000 Studierenden aus über 100 Nationen und betitelte die Frankfurt UAS als „praxistaugliches Labor für gelingende Integration“. In einer „zunehmend verunsicherten und polarisierten Gesellschaft“ sei es wichtig Studierenden nicht nur fachliche Qualifizierung zu bieten, sondern Ihnen die Entwicklung zu reflektierten Persönlichkeiten zu ermöglichen.
Es folgte ein Grußwort des Geschäftsführenden Direktors des CAES Prof. Dr. Dr. Michel Friedman. Er stellte fest, dass es um Emanzipation gehe und diese ein aufklärerischer Prozess sei, der mit Vernunft und Argumenten verhandelt werde. Die Aufgabe einer Hochschule bestehe darin ein Gegengewicht zu Glaube und Emotion anzubieten. Friedman appellierte, dass jeder und jede das Recht habe sich zu gestalten. „Ich finde es befremdlich, dass wir darüber reden, ob ein Kopftuch in unsere Gesellschaft passt“, so Friedman. Für eine Chance auf Vielfalt des Individuums sowie der Gesellschaft brauche es eine aufklärerische Diskussion auf grundsätzlicher Ebene, frei von Markierungen und Vorurteilen.
Der Hauptredner des Abends Bundespräsident a. D. Christian Wulff erinnerte gleich zu Beginn an seine Rede vom 3. Oktober 2010, in der er betonte, dass er nach der deutschen Wiedervereinigung und der Integration von Millionen Vertriebenen nach 1945, die Integration derer, die keine deutschen Bürger/-innen seien, als dritte große Integrationsleistung sehe. In seinen Augen gehören die über 4 Millionen Muslime in Deutschland sowie 14 Millionen in Europa mit ihrem Glauben gleichberechtigt zu Deutschland und Europa dazu. Ziel sei es, so Wulff, durch interkulturelles Lernen ein in Vielfalt geeintes Europa gemeinsam weiterzubauen. Der ehemalige Bundespräsident konstatierte: „Multikulturalismus ist der Weg mit dem Europa einen Sonderweg der Geschichte verlässt, der unendliches Leid über den Kontinent gebracht hat.“ Auch betonte er die Verwandlung der Sprache zum Thema Islam und, dass es häufig gerade intellektuelle Debatten seien, die durch kulturpessimistische Betrachtungen Angst verbreiten. Beispielhaft führte Wulff das Buch Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ sowie Samuel Huntingtons „Kampf der Kulturen“ an, beide Werke würden ein vereinfachtes Bild im Sinne „wir Christen gegen die Muslime“ zeichnen.
Die Gegenrednerin Prof. Dr. Ursula Fasselt beurteilte kritisch, dass es sich bei der Aussage Wulffs um eine politische Zielvorstellung einer offenen Gesellschaft handle, im Sinne einer Tatsachenfeststellung, und entgegnete die Notwendigkeit der Benennung von Bedingungen, unter denen dieses Ziel erreicht werden könne. Auch verwies Fasselt darauf, den Islam nicht zu verallgemeinern und zwischen Strömungen mit unterschiedlichem Bezug zum säkularen Rechtsstaat und zur Religionsfreiheit zu unterscheiden.
Frau Prof. Dr. Martina Klärle moderierte anschließend die Questions & Answers zwischen dem Publikum und Bundespräsident a. D. Christan Wulff.
Das CAES setzt die Vortragsreihe Think Europe – Europe thinks am 7. Juni mit einem Vortrag des Philosophen Prof. Dr. Markus Gabriel zum Thema „Warum es zum Glück keine europäischen Werte gibt“ fort.
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