Im Sommersemester 2024 hatten Studierende des Masterstudiengangs Zukunftssicher Bauen bei Prof. Anja Willmann die Gelegenheit, an einem interdisziplinären und hochschulübergreifenden Lehrprojekt auf der ostfriesischen Insel Spiekeroog teilzunehmen.
Gemeinsam erarbeiteten ca. 40 Studierende der Frankfurt University of Applied Sciences (Prof. Willmann) und der Jade Hochschule Wilhelmshaven Oldenburg Elsfleth (Prof. Dr. Sebastian Hollermann, Prof. Dr. Roland Pesch) Konzepte für ein nachhaltiges Bootshaus für die Hermann-Lietz-Schule, das mit Werkstätten, Wohnraum und Räumen für die Bootsgilde als Neubau ein Haus des Handwerks werden soll. Der Auftakt bestand in einem mehrtägigen Workshop vor Ort, um die Insel und die anderen Studierenden kennenzulernen. Anschließend wurden die Workshop-Ergebnisse über den Semesterverlauf in den interdisziplinären Projektgruppen vertieft bearbeitet.
Dabei griffen die verschiedenen Disziplinen mit ihrem jeweiligen Fachwissen wie Zahnräder ineinander: Basierend auf GIS-Daten wie Bodenqualitäten, Baumkataster etc. wurden verschiedene Entwürfe erarbeitet, die dann um - dem besonderen Klima auf der Insel angepasste - Baukonstruktionen ergänzt wurden. Anschließend überprüften und optimierten die Studierenden des Masterstudiengangs Zukunftssicher Bauen die Energieeffizienz mittels thermisch-dynamischer Simulation. Die Verwendung der urbanen Energiesimulationssoftware CityEnergyAnalyst (CEA) erlaubte die Weiterentwicklung von erneuerbaren Energieversorgungskonzepten für das gesamte Schulareal, das aus 11 Gebäuden und mehreren Tiny Häusern besteht.
Die Insel bietet dabei einen besonderen Fokus: Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz bekommen auf Spiekeroog eine andere Dimension. Jeder Ziegel und jedes Brot müssen per Schiff angeliefert werden; ebenso jeder Müllsack wieder auf das Festland abtransportiert. Die Insel ist autofrei, es gibt lediglich Feuerwehr und Krankenwagen. Für jede Neubaumaßnahme muss ein Flächenausgleich geschaffen werden, der mittlerweile kaum noch möglich ist, da ein Großteil der Insel Naturschutzgebiet ist und zum Nationalpark Wattenmeer gehört. Diese Rahmenbedingungen erfordern ein Umdenken: Vom Neubau zum Umbau oder Weiterbauen; Wiederverwendung von Materialien und Flächen; Transportfähigkeit der Baumaterialien, Kosten des Transports zwischen Insel und Festland.
So entstand eine Bandbreite an alternativen Ideen und Variantenvergleichen: von einer Mischung aus Massiv- und Holzbau über die Integration einer Sternwarte, die Ausformulierung in mehreren kleineren Baukörpern oder als Turm bis zur Umverteilung des Flächenbedarfs in die Bestandsbauten, um möglichst wenig Fläche zu versiegeln und den Baumbestand zu erhalten.
Ein weiteres Projektergebnis ist ein Geoinformationssystem, in dem Geodaten zur Bebauung und zum Schulgelände des Nordseeinternats eingesehen werden können. Die Daten wurden dabei zum Teil selbst von den Studierenden mit Hilfe einer mobilen App erhoben. Das Geoinformationssystem ist web-fähig und kann somit in die Internetseiten der Schule eingebunden werden.
Die Projektergebnisse wurden zunächst Vertretern der Hermann-Lietz-Schule, dem Beirat der Schule, ehemaligen Schülern und externen Fachplanern präsentiert und anschließend in einer Buchpublikation zusammengetragen.
Im Sommersemester 2025 geht das interdisziplinäre Projekt Spiekeroog in die nächste Runde. Dieses Mal wird der fachliche Fokus im Denkmalbereich und passiven Gebäudestrategien zur Klimatisierung liegen. Bestandteil des Moduls ist wieder ein mehrtägiger Workshop auf der Insel. Anmeldungen werden ab sofort durch Prof. Anja Willmann entgegengenommen.