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Juridicum – Identität bewahren, Ressourcen nutzen, Potenziale aktivieren

Studierende der Frankfurt UAS stellen Arbeiten zum Erhalt des Juridicums aus

Was soll mit der ehemaligen juristischen Fakultät der Goethe-Universität in Frankfurt-Bockenheim passieren? Eine Frage, auf die das Land Hessen und die Stadt Frankfurt inmitten komplizierter Planungsprozesse seit zwölf Jahren keine passende Antwort finden können. Die Gründe für die langwierige Projektierung sind unterschiedlich: Zum einen verspätete sich das Freiräumen des Gebäudes durch die Goethe-Universität, zum anderen stünden die Gelder seitens der Stadt Frankfurt für den neuen Kulturcampus und das Zentrum der Künste noch nicht zur Verfügung. Ungünstig für die künftigen Nutzer des Geländes, der Hochschule für Musik und darstellende Kunst und dem Frankfurt LAB, Musik-, Theater- und Tanzlabor der Moderne für Frankfurt Rhein Main e.V., die die neuen Baulichkeiten dringend benötigen. Für lange Zeit schien Abriss und Neubau der einzige Weg zu sein; eine nachhaltige Lösung hingegen könnte ein Umbau des Mehrzweckgebäudes sein. Studierende der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) griffen im Wintersemester 2022/2023 solche Konzepte in ihren eigenen Ausarbeitungen zu möglichen Zukunftsplänen des Mehrzweckgebäudes auf. Im Rahmen einer interdisziplinären Lehrveranstaltung in den Fachbereichen Architektur, Bauingenieurwesen und Geomatik sowie Soziale Arbeit und Gesundheit entwickelten sie Kurzfilme, Modelle, Pläne und Kartierungen zur möglichen Weiterverwertung des viel diskutierten Gebäudes im Westen Frankfurts. In einer Ausstellung werden sie nun zeigen, wie das Juridicum durch einen Umbau zur Weiternutzung erhalten bleiben kann. Die Stadt Frankfurt, das Architekturbüro schneider+schumacher, das Deutsche Architekturmuseum (DAM) sowie die Initiative Offenes Haus der Kulturen e.V. (OHa!) unterstützten die Studierenden in diesem regional bedeutenden Projekt.

Ausstellung: „Juridicum – Identität bewahren, Ressourcen nutzen, Potenziale aktivieren“

Die Ergebnisse ihrer Arbeit stellen die Studierenden nun an der Frankfurt UAS aus. Die Ausstellungseröffnung findet am Mittwoch, den 10. Mai 2023 um 17 Uhr statt, mit Kurzvorträgen der Studierenden und Statements der Gäste Astrid Wuttke, Architektin schneider+schumacher, Jonas Malzahn, Kurator und Weiteren. Vom 10. bis 20. Mai 2023 kann die Ausstellung im Foyer von Gebäude 1 Montag bis Freitag von 6 bis 22 Uhr besucht werden.

„Als Frankfurter Hochschule sind wir diesem Thema auch lokal verbunden und freuen uns, dass die Studierenden anhand dieses Praxisbeispiels verschiedene Positionen von beteiligten wirtschaftlichen, politischen und sozialgesellschaftlichen Akteuren erfahren konnten“, teilt Raul Gschrey, Lehrkraft für besondere Aufgaben im Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit mit und ergänzt: „Vor einigen Jahren waren sich alle sicher, dass für das Juridicum nur der Abriss infrage kommt, jetzt tendiert der öffentliche Diskurs sehr stark in die gegenteilige Richtung. Dies zeigt den Bedeutungswandel in Richtung ökologischen Denkens und es zeigt den Studierenden, dass man Stadt in der Praxis verändern kann.“

Im Mittelpunkt des Lehrpojektes stand der Ansatz einer fächerübergreifenden Auseinandersetzung mit den stadträumlichen, sozialen und baulichen Potentialen des Juridicums, das seit nun mehr 56 Jahren Bockenheim und die städtische Silhouette Frankfurts prägt. Das übergeordnete Ziel war es, den Charakter des Gebäudes im gestalterischen, als auch städtebaulichen Kontext möglichst zu erhalten und darüber hinaus zu optimieren.

Die Studierenden des Masterstudiengangs Architektur erarbeiteten ganzheitliche Energie- sowie Sanierungskonzepte für das Juridicum und berücksichtigten dabei auch aktuelle bauliche Anforderungen wie Wärme-, Schall- und Brandschutz. Zu Beginn wurde der bauliche Bestand des Juridicums von den Studierenden ausführlich analysiert und dokumentiert. Die Grundlage der konstruktiven Entwürfe basiert auf einem Nutzungsszenario bestehend aus einem Studierendenwohnheim mit andienenden Funktionen im Erdgeschoss wie Läden, Cafés oder Einrichtungen des Studierendenwerks. Neben den daraus entstandenen 15 Ausarbeitungen, zeigen die Studierenden des Bachelorstudiengangs Stadtplanung Kartierungen zu Mobilitätsmöglichkeiten, Begrünung und Barrierefreiheit rund um das Juridicum auf. Die Studierenden des Bachelorstudiengangs Soziale Arbeit präsentieren Kurzfilme zur Sozialraumforschung und geben darin Einblick in das Stimmungsbild der Anwohner/-innen und Beteiligten, weiterhin werden auch Exponate des Deutschen Architekturmuseums (DAM) ausgestellt. „Das interdisziplinäre Lehrprojekt ist auf mehreren Ebenen sehr spannend: Zum einen konnten die Studierenden zweier unterschiedlicher Fachbereiche über die eigenen Fachgrenzen hinweg zusammenarbeiten und anhand unterschiedlicher Fokuspunkte voneinander lernen“, erläutert Dr. Florian Mähl, Professor im Masterstudiengang Architektur und führt fort: „Zum anderen handelt es sich bei diesem Thema um ein viel diskutiertes Stadtprojekt, an dem sich Stadtplanung, Stadtpolitik und zivilgesellschaftliches Engagement direkt erleben lassen.“

Das möchten die Professorinnen und Professoren der Frankfurt UAS auch im aktuellen Sommersemester 2023 weiterführen: Im Bachelorstudiengang Architektur entwerfen die Studierenden derzeit Konzepte zur Stadtentwicklung und Kartierungen von Gemeingütern und Commons rund um das Juridicum. Der Begriff Commons definiert Gemeingüter und darüber hinaus auch zivile und gesellschaftsstärkende Ressourcen, wie die (lokalen) Communitys selbst, die Produkte und Ressourcen gemeinsam herstellen, pflegen und nutzen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit soll auch im Bachelorstudiengang Soziale Arbeit in Praxisworkshops mit Bürgerinnen und Bürgern sowie im U!REKA Lab: Urban Commons weiterverfolgt werden.

Warum ist das Bauvorhaben um das Juridicum so umstritten?

Das Mehrzweckgebäude befindet sich auf dem alten Gelände der Goethe-Universität im Stadtteil Bockenheim, direkt an der Senckenberg-Anlage – ein sehr zentral gelegener Raum, der seit Jahren weitgehend ungenutzt blieb. Bis die endgültige Planung des Projektes feststeht, möchten Politiker/-innen und die ABG die leerstehenden Gebäude als Zwischenunterkunft für Geflüchtete bereitstellen. Soziale Initiativen sowie Kunst- und Kulturschaffende wollen das knapp 50 Meter hohe Bauwerk für zivilgesellschaftliches Engagement beanspruchen, zum Beispiel für das Bildungsprojekt „Ukrainischer Raum“ zur Gründung einer Schule für geflüchtete Kinder. Der Geschichtsverein Freunde Bockenheims e. V. wünscht sich einen gemeinsamen Lesesaal mit unterschiedlichen Archiven. Das OHa! vereint in dieser Sache viele verschiedene Initiativen – darunter auch Fridays for Future Frankfurt oder den Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Frankfurt (BBK) – zum gemeinsamen Vorhaben „Reallabor Kulturcampus“ mit dem Ziel, den sozial-ökologischen Wandel der Stadt durch kulturelle und soziale Zwischennutzungsprojekte voranzutreiben. Dafür erhielt das Projekt kürzlich den 30.000 Euro dotierten Zukunftspreis des Landesprogramms „Grosser Frankfurter Bogen“ vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen. Zuvor am 17. März 2023 veranstaltete der Verein auf dem Campus der Goethe-Universität dazu ein Fest unter dem Motto „Graue Energie für eine bunte Zukunft“, wo die Initiativen Ideen und Möglichkeiten zur Entwicklung des Kulturcampus aus dem bauwerklichen Bestand präsentierten. Die graue Energie umfasst in Summe jede Art der aufgewendeten Energie zur Her- und Bereitstellung eines Produktes: Rohstoffgewinnung, Vorprodukte, Transport, Lagerung, Verkauf, Betrieb sowie Wartung – und darüber hinaus auch Abbau bzw. Entsorgung – im gegebenen Fall eines Gebäudes. So bedeutet im Umkehrschluss der Erhalt des Juridicums auch den Erhalt der darin gespeicherten und investierten grauen Energie, welches den Umbau des Juridicums als ressourcenschonende Alternative aufweist. Zudem würde durch einen Neubau erneut Energie für dieselben Herstellungsprozesse verbraucht werden und somit die Bilanz verdoppeln, wenn man den gesamten Lebenszyklus des Mehrzweckgebäudes berücksichtigt. Laut einem Factsheet aus Dezember 2022 der Deutschen Umwelthilfe e. V. entstehen zehn Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland durch die Herstellung, Errichtung und Entsorgung von Gebäuden und Bauprodukten.

Kontakt
Ruth Schlögl
Telefon: +49 69 1533-2772
E-Mail: ruth.schloegl(at)fb1.fra-uas.remove-this.de

Weitere Informationen zur Ausstellung und FFin unter:
www.frankfurt-university.de/?id=10967

Der Strukturplan des „Kultur Campus Frankfurt“ findet sich unter:
www.stadtplanungsamt-frankfurt.de/show.php?ID=12558&psid=d

Weitere Informationen zu den geplanten Bebauungskriterien des Frankfurter Magistrats unter dem Link:
www.stadtplanungsamt-frankfurt.de/kulturcampus_frankfurt_5227.html

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