Kürzlich wurde das erste Paper aus der Dissertation von Lucie Hucke veröffentlicht, welche im Rahmen des Mittelbauprogramms an der Frankfurt UAS in Kooperation mit der Universidad de Cádiz ihre Doktorarbeit schreibt. Die veröffentlichte Studie wurde in Zusammenarbeit mit der Orthopädischen Klinik Friedrichsheim (Universitätsklinik Frankfurt am Main) durchgeführt und mit dem Titel “Influence of tension-band plates on the mechanical loading of the femoral growth plate during guided growth due to coronal plane deformities” im Open Access-Journal „Frontiers in Bioengineering and Biotechnology“ publiziert.
Die Korrektur von Kniefehlstellungen durch Wachstumslenkung mithilfe eines sogenannten „Tension-Band-Implantats“ ist eine gängige Therapie, um unter anderem Kniearthrose vorzubeugen. Dieser Ansatz basiert auf dem Hueter-Volkmann-Gesetz, das besagt, dass das Längenwachstum von Knochen durch Druck gehemmt und durch Zug stimuliert wird. Wie die lokal variierende mechanische Belastung der Wachstumsfuge durch das Implantat beeinflusst wird, ist noch nicht untersucht worden. In der veröffentlichten Studie werden reale Belastungsfälle aus dem Gangzyklus mit personalisierter Geometrie kombiniert, um den mechanischen Einfluss der Tension-Band-Implantate zu untersuchen.
Hierzu wurden personalisierte Finite-Elemente-Modelle von vier distalen Oberschenkelknochen erstellt, von drei Patient*innen, an welchen eine Wachstumslenkung durchgeführt wurde. Mittels der muskuloskelettalen Modellierung wurden die Belastungen des Kniegelenkes aus der Ganganalyse bestimmt und damit die Modelle mit und ohne Implantat simuliert. Die Geometrie der Wachstumsplatten wurde aus Röntgenbildern ermittelt. Die 3D-Geometrien wurden mithilfe von MRT-Bildern altersgleicher Personen vervollständigt.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Spannungsverteilung in der Wachstumsfuge heterogen war und stark von der Geometrie abhing. In der Implantats-Region verursachten die Implantate hohe statische Spannungen und reduzierten die zyklische Be- und Entlastung. Beides sind Faktoren, die die Wachstumsrate verringern. Auf der kontralateralen Seite der Wachstumsfuge wurde eine erhöhte Zugspannung beobachtet, welche das Wachstum eher anregt.
Personalisierte Finite-Elemente-Modelle sind in der Lage, die Veränderungen der lokalen statischen und zyklischen Belastung der Wachstumsfuge, die durch das Implantat verursacht werden, abzuschätzen. Dieses Wissen kann in Zukunft dazu beitragen, die Wachstumsmodulation besser zu kontrollieren und die Rückkehr der Fehlstellung nach der Behandlung zu vermeiden. Dazu sind jedoch Modelle erforderlich, die in Bezug auf Lastfälle und 3D-Geometrie vollständig teilnehmerspezifisch sind.
In den nächsten Schritten wird das Modell nun verifiziert und ein passendes Materialmodell zur Simulation der Wachstumsfuge gefunden werden.
Die Veröffentlichung wurde im Rahmen des IFOFO-Programmes von der Frankfurt UAS unterstützt.
Das Paper ist unter diesem Link online abrufbar.