Webseite online: GERDEA-Forschungsverbund untersucht Wechselwirkungen zwischen Rollenbildern und rechten Deutungen
Frauen in Führungspositionen, Männer, die sich an der Care-Arbeit beteiligen – was Frau/Mann tun kann und die Bedeutung von Geschlecht, ist heute nicht mehr starr vorgegeben. Mit dem gesellschaftlichen Wandel von Geschlechterverhältnissen wird aber auch der Ruf nach einer Rückkehr zu alten Rollenbildern lauter. Und die extreme Rechte versucht in diesem Spannungsfeld mit traditioneller Geschlechterpolitik zu punkten. Wen sie damit erreicht und wie Geschlechterverhältnisse in der Gesellschaft mit extrem rechter Ideologie zusammenhängen – das untersucht ein von der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) koordinierter Forschungsverbund. Auf der Projekt-Webseite www.projekt-gerdea.de machen die Forschenden zentrale Erkenntnisse und Hintergründe zum Themenbereich nun Fachkräften, Wissenschaftler*innen und anderen Interessierten zugänglich.
Das Projekt „Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Geschlechterverhältnissen und der zeitgenössischen extremen Rechten. Dynamiken – Effekte – Ambivalenzen“ (GERDEA) läuft vom Januar 2023 bis zum Juni 2026 und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der Förderlinie "Aktuelle und historische Dynamiken von Rechtsextremismus und Rassismus" gefördert. Im Verbund kooperieren Forschende der Frankfurt UAS, der Justus-Liebig-Universität Gießen, der Philipps-Universität Marburg und der Berliner Einrichtung „Dissens – Institut für Bildung und Forschung e.V.“.
„Geschlecht, sei es in Form von repressiver Abtreibungspolitik oder dem Propagieren traditioneller Rollenbilder, ist seit jeher ein zentrales Kampffeld extrem rechter Politiken. Es wird genutzt, um rechte Ideologie für die breite Gesellschaft zu normalisieren und ist eng mit anderen Ungleichheitsideologemen, wie Rassismus oder Antisemitismus verzahnt. Um also die Entstehungsbedingungen und die historischen Kontinuitäten extrem rechter Ideologie sowie das Erstarken rechtspopulistischer Parteien wie der AfD verstehen zu können, muss man die Dimension Geschlecht in Analysen einbeziehen“, so Prof. Dr. Michaela Köttig, GERDEA-Projektleiterin und Professorin für Grundlagen der Gesprächsführung, Kommunikation und Konfliktbewältigung im Kompetenzzentrum Soziale Interventionsforschung der Frankfurt UAS.
Forschung vom Gerichtssaal bis zur „Mannosphäre“
Die Forschenden arbeiten im Rahmen von GERDEA mit einer Vielzahl von Methoden wie qualitativen Interviews, Gruppendiskussionen und teilnehmenden Beobachtungen in vier Teilprojekten. Wissenschaftlerinnen der Frankfurt UAS untersuchen, welche Erfahrungen im Lebensverlauf dazu führen, dass extrem rechte geschlechterpolitische Positionierungen aufgegriffen, in Selbstinszenierungen dargestellt und politisch vertreten werden. Forschende der Justus-Liebig-Universität Gießen rekonstruieren, inwiefern Jugendliche durch extrem rechte geschlechterpolitische Deutungs- und Sinnstiftungsangebote beeinflusst werden. Das Dissens-Institut untersucht, welche Angebote die extreme Rechte in den sozialen Medien zur Deutung von Männlichkeit macht und wie diese in der „Mannosphäre“ – einem antifeministischen Netzwerk – ankommen. Forschende der Philipps-Universität Marburg blicken schließlich auf die Justiz. Sie widmen sich der Frage, inwiefern Geschlechterrollen-Stereotype Urteilsfindungen in Gerichtsverfahren zu rechter Gewalt beeinflussen und welche Rolle sie für die begleitende Berichterstattung in den Medien spielen.
Die vom Dissens-Institut gehostete neue Projekt-Webseite www.projekt-gerdea.de gibt erste Einblicke in diese unterschiedlichen Forschungsaspekte. Interessierte können etwa nachlesen, wieso so genannte TradWives ihr traditionelles Geschlechterrollenverständnis in den sozialen Medien präsentieren und welche gesellschaftlichen Entwicklungen begünstigen, dass autoritäre Männlichkeiten Konjunktur haben. Auch erste Projektergebnisse werden demnächst auf der Seite veröffentlicht.
Die Seite ist aber nicht der einzige Weg, auf dem das Projektteam seine Forschung Fachkräften, etwa aus der Justiz und der Präventionsarbeit zugänglich machen will „Um einen kontinuierlichen Wissenstransfer zu gestalten, finden bereits über die Projektlaufzeit hinweg vierteljährliche Treffen mit den Praxispartner*innen sowie Workshops an der Frankfurt UAS statt. Auf diese Weise sollen die Wissensbestände der Praxispartner*innen in den Forschungsprozess einbezogen und die aus der Forschung gewonnen Erkenntnisse in die Praxis zurückgespiegelt werden, um Beratungs- und Präventionsarbeit weiterentwickeln zu können“, so Köttig. Am Ende sollen in Kooperation mit den Partner*innen Handlungsempfehlungen und Interventionen entstehen.
Kontakt:
Frankfurt University of Applied Sciences
Fachbereich 4: Soziale Arbeit und Gesundheit
Prof. Dr. Michaela Köttig, Telefon: +49 69 1533-2647
E-Mail: koettig(at)fb4.fra-uas. de